Auf den Spuren des Malers Joseph Wannenmacher in der Stiftskirche in St. Gallen
Die Stiftskirche St. Gallen wurde von 1755 bis 1766 erbaut und ersetzte die baufällig gewordene
ehemalige Kirche des Klosters St. Gallen. Sie gilt als eine der letzten großen Sakralbautwerke des Spätbarocks.
Baumeister waren der Vorarlberger Peter Thumb und ab 1761 Johann Michael Beer von Bildstein.
Langhaus und Kuppel enstanden bis 1760, anschließend wurde der Chor durch einen Neubau ersetzt.
Mit der Erstellung der Ostfassade und den beiden Türmen wurde die Neubauphase schließlich beendet.
Den Auftrag zur Innendekoration des Langhauses erhielt Johann Christian Wentzinger aus Freiburg.
Zur Ausführung seiner Entwürfe engagierte er Johann Georg Gigl für die Stuckarbeiten, Joseph Wannenmacher
für die Freskomalereien und Fidel Sporer für das Gestühl.
Die Aufträge für die Ausstattung des Chors wurden vom Bauherrn Fürstabt Cölestin Gugger von Staudach
direkt vergeben. Für die Stuckaturen verpflichte er die Gebrüder Johann und Mathias Gigl, für die Stuckreliefs
Johann Christian Wentzinger, für die Ausmalung des Chors Joseph Wannenmacher und für Bildhauerarbeiten und das
Chorgestühl Joseph Anton Feuchtmayer.
In der Titelbeschreibung des Deckenfreskos vor der Orgel wird mitgeteilt, dass die Kirche der
Jungfrau ohne Sünde und Makel und dem heiligen Otmar geweiht ist.
Auf dem Bild wird die Verherrlichung der reinen Empfängnis Mariä dargestellt.
In der linken unteren Ecke ist das Wappen von Fürstabt Cölestin Sfondrati samt Kardinalshut und dem Titel
seines Buches zur Verteidigung der Unschuld dargestellt.
In der rechten unteren Ecke ist das Wappen des Bauherrn Fürstabt Cölestin Gugger zu sehen.
Im anschließenden 3. mittleren Deckenfresko ist St. Otmar in himmlicher Glorie dargestellt.
Otmar war im 8. Jahrhundert der Gründer und erste Abt des Klosters St. Gallen.
Engel zeigen Karten der St. Galler Herrschaften Ebringen und Neu-Ravensburg und ein Buch das auf die
Ordensregeln des Hl. Benedikt hinweisen soll.
Die Inschrift im angrenzenden westlichen Bogen besagt, dass die Kirche der Jungfrau von der
unbefleckten Empfängnis und dem seligen Otmar geweiht ist.
Im folgenden Deckenfresko vor der ausgemalten Kuppel der Stiftskirche wird die Weihung des Klosters an die
Gottesmutter dargestellt.
Der hl. Gallus kniet mit ausgebreiteten Armen auf einer Wolke und widmet Maria -mit dem Jesuskind im Arm-
das Gotteshaus.
Engel zeigen ein Bild des Klosters mit der Inschrift HAEC REQUIES MEA IN SAECULUM SAECULI.
Darüber sind die
Zweitpatrone der Abtei, Petrus und Paulus, dargestellt.
Gallus wurde um 550 in Irland geboren und wirkte nach 610 als Wandermönch und Missionar im Bodenseeraum. Im Jahr 612
errichtet er an der Steinach eine Einsiedelei mit Zellen und Gebetshaus, die nach seinem Tode Wallfahrtsort wurde.
An diesem Ort gründete im Jahr 719 der alemannische Priester Otmar eine Abtei, der er zu Ehren von
Gallus den Namen St. Gallen gab.
Die große Zentralkuppel bildet den räumlichen und optischen Mittelpunkt der St. Galler Stiftskirche.
Im Kuppelgemälde symbolisiert in der Mitte die Taube den Heiligen Geist, von dem alles Licht ausgeht.
Um diesen Mittelpunkt sind platziert: der sich auf die Weltkugel stützende Gottvater, der seine Wunden zeigende Jesus
im roten Mantel und das von einem Engel getragene Heilige Kreuz.
Unterhalb der Dreifaltigkeit kniet die Gottesmutter im blau-roten Gewand, rechts neben ihr sehen wir Josef.
Auf der anderen Seite sind Johannes der Täufer sowie Joachim und Anna, die Eltern von Maria, dargestellt.
Im äußeren Ring sind 48 Heilige abgebildet. Michel Reistle schließt sich mit der Anordnung der Heiligen nach den
acht Seligpreisungen der Bergpredigt der Deutung von Bruder Matthias Jansen 1738-1781) an.
Nach Matthäus 5,3-12 lauten sie:
1. Selig sind die Armen im Geiste, 2. Selig sind die Sanftmütigen, 3. Selig sind die Trauernden,
4. Selig sind die nach der Gerechtigkeit hungern, 5. Selig sind die Barmherzigen, 6. Selig sind die ein reines
Herz haben, 7. Selig sind die Friedfertigen, 8. Selig sind die Verfolgten.
Im ersten Feld des Kuppelumgangs sind St. Gallus und die Heilige Idda als Schutzpatrone von Toggenburg dargestellt.
Anschließend sehen wir St. Gallus mit weiteren Heiligen als Schutzpatrone der umliegenden Landschaften.
Im dritten Feld ist Maria als Schutzpatronin der Rosenkranz- und Skapulierbruderschaften in St. Gallen und den
umliegenden Landpfarreien dargestellt.
Die zwei folgenden Felder zeigen St. Gallus als Schutzherr des Landkapitels St. Gallen bzw. des Kapitels Wil.
Im sechsten Feld ist St. Valentin von Terni -der heutzutage als Patron der Liebenden verehrt wird- mit dem heiligen
Sebastian und weiteren Altarheiligen der Kirche dargestellt.
Die Deckengemälde des Chors schuf Joseph Wannenmacher von 1764 bis 1766. Sie wurden zwischen 1819 und 1821 vom
Zeichenlehrer Orazio Moretto übermalt.
Diese Übermalung konnte 1962-1963 mit viel Sorgfalt und Aufwand entfernt werden, so dass die Wannenmacher-Originalbilder
sichtbar wurden und restauriert werden konnten.
In dem der Kuppel folgenden ersten Deckenfresko des Chors sehen wir vom Namen Jesus (I H S) ausgehende Lichstrahlen,
die im hinteren Teil auf das Lamm Gottes und das Buch mit den sieben Siegeln aus der Offenbarung des Johannes treffen.
Umgeben wird diese helle Bildmitte von einem Kranz anbetender Engel, die verschiedene Leidenswerkzeuge wie Kette,
Geißel, Dornenkrone, Lanze und Kreuz tragen.
Das zweite Bild der Chordecke steht unter dem Motto von Psalm 149,3 "laudent nomen eius in choro...
Sie sollen loben seinen Namen im Chor; mit Pauken und Harfen sollen sie ihm spielen".
Am Bildrand steht der Hl. Benedikt auf den Stufen zum Himmel und weist auf das Kapitel 19 seiner Mönchsregeln.
Dort wird die erwartete Haltung beim Gottesdienst aufgezeigt:
"....Beachten wir also, wie wir uns vor dem Angesicht Gottes und seiner Engel verhalten müssen, und stehen wir so beim
Psalmensingen, dass unser Herz und Stimme in Einklang sind".
Das dritte Feld des Chorjochs ist dem eucharistischen Jesus gewidmet. Jesus hat ein Weinglas in der Hand und
wird von den vier Evangelisten Markus, Matthäus, Lukas und Johannes umrahmt.